Endstation Güterbahnhof

Unzählige Bandproberäume, eine Vespa-Werkstatt, eine Lokhalle für Events wie Modeschauen und Konzerte, ein Salsa-Studio, verschiedene Ateliers, Designer-Möbelgeschäfte: Kurzum, der alte Güterbahnhof war für mehrere Jahrzehnte ein bunt gemischtes kulturelles Zentrum auf einer Fläche von fast 56 Fußballfeldern – ungefähr so groß wie Freiburgs Altstadt – und prägte das Stadtbild im Norden für mehr als ein Jahrhundert.

Um den Güterverkehr von Freiburgs Hauptbahnhofs abzutrennen, wurde zwischen 1901 und 1905 der Güterbahnhof mit insgesamt 130 Gebäuden errichtet. Der damals hohe Güterumschlag am Stadtrand hat sich allerdings in den letzten Jahrzehnten drastisch reduziert. Heute verkehren nur noch elf Züge pro Tag von und nach Italien. Die hier leer stehenden Gebäude wurden in der jüngeren Vergangenheit als Standort für mittelständige Unternehmen und kulturelle Veranstaltungen genutzt. Ganz ausgelastet war das Gelände allerdings zu keinem Zeitpunkt.

Grund genug, um hier in Zukunft ein innovativen Mix aus Wohnen und Gewerbe entstehen zu lassen. Doch der Weg hin zu diesem Konzept war nicht einfach. Die Aurelis Real Estate GmbH – Eigentümer und Bahntochter – war davon überzeugt, das Gebiet durch viel Wohnbau gut vermarkten zu können. Die Stadtverwaltung plädierte jedoch für ein reines Gewerbegebiet. Vom Güter- zum Wissensbahnhof, einem Standort für neue Technologien und Medien einerseits, für Gastronomie, Einzelhandel und Hotels andererseits. Nachdem seit 2005 ein Kompromiss ausgehandelt wurde, stehen heute die Bebauungspläne weitestgehend fest: 20-25% Wohnungsbau, die restliche Fläche für gemischte Wohn- und Gewerbeeinheiten. Alle Parteien scheinen zufrieden mit dieser Lösung.

Das erste Projekt wurde von der Aurelis bereits im Jahr 2008 realisiert: Die Sanierung des alten Zollamts. Ziel war es, die historischen Hallen in zeitgemäßer Ausstattung zu präsentieren, den Charme der Gründerzeitgebäude zu erhalten und die Moderne einziehen zu lassen. Bereits Anfang 2009 zog der erste Mieter, eine Werbeagentur, in die neuen Räumlichkeiten ein. Weitere Firmen, wie bspw. ein Fitnessstudio und ein Outdoorladen, folgten zeitnah. Die Frage nach der Zukunft der denkmalgeschützten Lokhalle ist allerdings immer noch ungeklärt. Grundsätzlich besteht der Wunsch, das historische Gebäude als Veranstaltungsort zu erhalten. Wer aber die teuren Sanierungsarbeiten finanzieren wird, ob ein Privatinvestor oder die Aurelis selbst, steht noch in den Sternen. Sollte sich niemand für die Finanzierung finden und sich die Sanierung als unwirtschaftlich herausstellen, könnte auch die denkmalgeschützte Halle dem Abriss nicht entkommen – genau wie die meisten anderen der 130 Gebäude auf dem Gelände.

Ein Wandel, an dem sich die Geister scheiden. Das Beispiel des Güterbahnhofs steht exemplarisch für zahlreiche, kontrovers diskutierte Bauprojekte in Deutschland – Altes erhalten versus Neues schaffen. Auch wenn die Sanierung des Zollamts als gelungen gelten kann, so werden die meisten anderen Gebäude bald Geschichte sein. An ihrer Stelle werden hier bald große Wohn- und Gewerbeblöcke stehen und der ehemalige Charme des kulturellen Geländes nur noch schwerlich auszumachen sein. Zumindest die ehemals vorhandenen Kleinunternehmer und Künstler werden wohl kaum Einzug in das umstrukturierte Gewerbegebiet halten. Bleibt nur zu hoffen, dass zumindest die Lokhalle ihrem Schicksal noch entgehen kann.